#weltall

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Manchmal bin ich wie ein Stein. Ein schwerer, fester und ruhender Stein. Aber auch ein stummer, ein starrer Brocken, unfähig sich auch nur einen Millimeter zu rühren. Wenn ich so da liege, so still, bin ich erfüllt von dem Gedanken, ein Fluss, oder gar ein Meer könnte mich umspülen, seine Wellen an mir brechen und sich an mir reiben. So unerbittlich und geduldig, bis von mir nichts mehr übrig ist, als feiner weißer Sand. Bis ich aufgesplittert in eine Milliarde Einzelteilchen verstreut in alle Richtungen liege. Die Wellen ziehen viele von den hauchfeinen Steinchen mit sich zurück in die Tiefen des Meeres. Diese Teilchen tanzen wie in Trance mit den Fischen durch das flackernde Licht des Ozeans um schließlich in absoluter Stille den Grund zu erreichen. Ihre Reise ist hier jedoch noch nicht zu Ende. Dort in der drückenden Stummheit der Tiefsee sind sie gebettet bis zu dem Tag, an dem die Erde sich umkehrt, und das Wasser aus den Meergruben fließt und alle Teilchen sich erheben, um ins Weltall zu schweben, wofür sie doch erschaffen wurden, worauf sie doch so lange warteten. 

Es graben sich nackte Füße in mich und drücken Teile von mir mit Teilen von anderen zusammen und vermischen uns. Wir alle drängen uns auf dichtestem Raum und keiner kann sich mehr bewegen. Ein Fluchtversuch wäre sinnlos, es gibt keinen Ausweg, kein oben und unten. Nur Masse. Nur Ich und alle anderen. Die Sonne brennt auf uns herab, und wir alle glühen vor Hitze. Miteinander oder gegeneinander, es macht keinen Unterschied. Wir starten und enden an derselben Stelle und sind ja doch alle bloß feine Sandkörner. Einige von den winzigen Staubkörnern werden von den Füßen fortgetragen, und nie mehr wieder gesehen. Sie reisen wahrscheinlich um die ganze Welt und liegen nun zwischen neuen Brüdern und Schwestern mit denen sie vermischt werden. Über sie gehen nun andere Füße. Ein kleiner Körper wälzt sich langsam durch den Sand. In sicherer Entfernung zum Wasser legt die Schildkröte ihre Eier in eine kleine Grube und verschwindet wieder dorthin, woher sie gekommen ist. Es kitzelt, als die vielen kleinen Sprösslinge auf die Wellen zuschlittern. Ein großer Seevogel stürzt auf uns zu, schnappt sich eines der Neugeborenen und mit ihm eine Handvoll feiner Körner. Sie werden hoch in die Luft getragen und fliegen weit. Und als der Vogel sie loslässt, werden sie vom Wind aufgefangen. Wie auf einem fliegenden Teppich trägt er sie weit ins Land hinein, bis in die Berge, wo sie noch nie gewesen sind. Sie werden von Steinen, Sand und Erde empfangen und stützen nun einen Wald an einem Berg. Ohne sie würden die Bäume ihren Halt verlieren. Diese majestätischen Riesen könnten ohne die Kraft der feinen Körnchen nicht aufrecht stehen.

Und irgendwann kommt ein Regen, der so stark ist, dass sich Flüsse und Bäche aus ihm bilden. Sie stürzen den Hang hinab und reißen alles mit sich ins Tal. Die Steine, den Sand und auch die großen Bäume. Und so einfach ist alles zerstört, was so lang gehalten hat. Aber so ist das eben mit dem Regen und den Sandkörnern und den Steinen. 

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