#abgrund

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Sonst immer: “mir geht’s gut, alles ok”…Muss wohl schon echt ein ziemlicher tiefpunkt in meinem Leben sein, das ich so offen über meine Gedanken und Gefühle schreibe…

Jedes Mal wenn ich mich psychisch wieder selbst zum tiefpunkt gebracht hab, schwöre ich mir, mein Leben endlich auf die Reihe zu bekommen und mich zu ändern. Genau in diesem Moment, bin ich auch vollkommen überzeugt davon, es diesmal wirklich zu schaffen…

Bis zu dem Tag an dem ich meinen Verstand abschalte und ich wieder und wieder komplett am Abgrund stehe…

Dann kommt alles auf einmal. Alle Emotionen und Gefühle der letzten Wochen die man so gut verdrängt hat.

Die wenigen Menschen die mich wirklich lieben und an mich glauben, wieder so maßlos enttäuscht zu haben, gibt mir den Rest…Meine Versprechen die ich vom Herzen gegeben habe, sind über Nacht wieder zu dreckigen lügen geworden…

Ich will endlich raus aus diesem Teufelskreis

Ich bin schon lange nicht mehr der glückliche Mensch, der ich mal war. Ich lasse meine Freunde sitzen, um mir meine Arme aufzuschneiden. Ich höre lieber Musik die meine Stimmung beschreibt, als Musik die mir eine heile Welt vor spielt. Ich meide das Licht, weil die Dunkelheit mein inneres Ich ist. Ich verletze andere, bevor sie die Chance haben mich zu verletzen. Ich stoße Menschen ab, wobei ich nichts sehnlicher als einen Halt brauche. Ich zieh mir keine warmen Sachen an, weil ich mich wenn ich friere lebendig fühle. Ich plane nicht meine Zukunft, ich plane meinen Suizid.

Wisst ihr was das schlimmste Gefühl ist? Wenn man glaubt, man könnte etwas ohne Hilfe schaffen, man wäre stark genug, aber sich getäuscht hat. Dieser Rückfall, dieser Selbsthass. Dieses Gefühl es wieder nicht geschafft zu haben. Man bricht innerlich zusammen.

Wow ich hab’s geschafft. Ich bin wieder genau an dem Tiefpunkt angekommen, vor dem ich so Angst hatte ihn wieder zu erreichen. Es lief doch erst wieder gut und ich hatte Hoffnung, dass es wieder bergauf geht. Doch jetzt erscheint mein Leben plötzlich wieder so sinnlos. Als gäbe es nichts auf dieser Welt, was mich noch hier hält. Als gäbe es nichts was mich noch glücklich machen könnte. Und wieder sitze ich hier, allein in meinem kalten Zimmer, und Kämpfe mit mir selbst. Fange plötzlich ohne Grund an zusammenzubrechen und Stundenlang zu weinen. Frage mich, was der Sinn für das alles ist. Wieso bin ich noch hier? Wieso verdammt nochmal kann mir niemand helfen? Wieso kann mich nichts mehr glücklich machen, was mir früher immer geholfen hat, nicht aufzugeben? Wieso bin ich so scheisse kompliziert? Und wieso versteht mich keiner? Wieso stoße ich Menschen ab, die mir eigentlich nur Gutes wollen? Wieso merkt keiner wie kaputt ich bin und dass ich seit Monaten doch versuche das beste daraus zu machen? Wieso sieht keiner wie schwer das alles für mich ist, ein normales Leben zu führen? Ihr alle denkt, ich sei nur faul, weil ich den ganzen Tag in meinem Zimmer hocke und es kaum nach draussen schaffe. Dabei kostet es mich so unnormal viel Kraft, Tag ein Tag aus für alle da zu sein. Ich hab so furchtbar große Angst, vor dem was noch kommt. Ich bekomme nichts auf die Reihe, egal wie sehr ich mich bemühe. Aber keiner sieht es. Keiner sieht wie schwer das alles wirklich für mich ist. Ich bin kaputt. Meine Nerven liegen blank. Mit Tränen in den Augen, versuche ich gerade in Worte zu fassen, was in mir vorgeht. Ich sehe nur noch verschwommen. Eine Träne nach der anderen fällt hinab. Verdammt, ich schaff das alles echt nicht mehr…

2:30AM

Ich habe Gefühle. Ich habe Gefühle und Gedanken. Gedanken, die es mögen, sturmfreie Bude zu haben um mal so richtig das Haus zu zerstören. Am liebsten greifen sie dabei zu den richtig harten Mitteln, wie Blut, Tod, zerfetzte Körperteile, Massaker…in jedem Fall tiefe Abgründe. Abgründe deren Boden ich nicht erkennen kann. Deren Grund ich nicht erkennen möchte. Wer fällt schon gern in undurchsichtiges Schwarz um sich im Fall bewusst zu werden, dass es zu spät ist. Zu spät um zurück zu kehren. Zu spät um eine andere Wahl zu treffen. Dann muss man da durch. Mit etwas Glück und einem aufmerksamen paar Ohren überlebt man das meist auch. Aber deshalb möchte ich lieber nicht in den Abgrund blicken, um zu erkennen, dass es hier nichts zu sehen oder zu erkennen gibt, außer dem Schwarz, dem Fall und dem sicheren Aufprall. Und dennoch wandle ich so lange schon an dieser Kante entlang. Warum  ist die Schwerkraft hier nur so viel stärker…? Denn selbst wenn ich mich abwende, um in eine andere Richtung zu sehen, um möglicherweise sogar in diese andere Richtung zu gehen, weiß ich immer um die Anwesenheit des Abgrundes. Auch wenn dieser nur in meinem Rücken ist. Gerade weil dieser in meinem Rücken ist. Je weiter ich mich entferne, desto stärker zerrt es in meinem Nacken. Zu anstrengend. Aber darauf zu und dann hinunter…Nein, dass habe ich so oft schon ausprobiert, und bin so schlau wie zuvor. Also wandle ich am Rande, auf dieser Kante entlang. Es ist die einzige Richtung, die mich nicht aus dem Gleichgewicht schlägt. Die Richtung, in der die Schwerkraft weder ab- noch zunimmt, wo ich meinen Körper spüre, alles sehen kann, und in Bewegung bleiben kann. 

Das Schöne ist, dass das Schwarz abzunehmen scheint. Vielleicht so, als würde etwas in den toten Winkel des menschlichen Auges rücken, und zunächst nur noch als grauer Umriss, später überhaupt nicht mehr zu sehen sein. Also fängt es an zu schreien. Wenn es nicht gesehen wird, will es zumindest gehört werden. Ich vergesse dich schon nicht! Wie könnte ich dich vergessen…Das Schreien wird zu Lärm und dann zu Getöse. Die Mittel sind die selben: Blut, Tod, …irgendwie albern, denke ich. Ach, dass kann ich also auch denken. Dann entscheide ich einfach mal an etwas anderes zu denken. Erstaunliches Resultat. Es schleicht sich eine kleine Hoffnung ins Bühnenbild, und träumt davon, irgendwann vielleicht etwas Abstand zu all dem schreienden Schwarz gewinnen zu können. Nur so ein, zwei Meter, dass einem nicht mehr schwindelig werden muss. So schwindelig von dem Schwarz und dem Getöse und dem Sehen und Gehen und Fallen.

Und dann sind da noch die Menschen. Die Menschen, die leben und auch sehen und gehen. Ob die wohl alle schwindelfrei sind? Vielleicht gibt es ja noch mehr, die die Schwerkraft so sehr spüren. Solche, die auch an der Kante wandeln und sich am liebsten fallen lassen würden, weil es so viel Spaß macht, Erfahrungen zu ignorieren, und in all dem Schwarz nur den eigenen Atem zu hören und in all dem Graus eine besonnene Euphorie zu verspüren über den Rausch des Sturzes. Doch nur solange bis der Aufprall kommt und man schmerzhaft zugeben muss, dass man wieder mal nicht widerstehen konnte. Widerstehen wollte. Aber man hat ja noch drei Leben und einen Unsterblichkeits-Stern und das nächste Mal wird man ja eine schlauere Entscheidung treffen. Ich gehe also. An meiner Hand die Hoffnung. Eine Flasche Mut an den Lippen. Und mit mir die Menschen. Und so füllt sich die Einöde neben dem Abgrund mit Menschen. Sie tragen allerlei mit sich. Rucksäcke und Pakete und Koffer. Auch Flaschen. Manche trinken aber Missmut. Die Massen schieben sich an der Kante entlang und wenn der Platz mal zu schmal wird tropfen einzelne Körper in das Schwarz. Das gefällt und der ein oder andere hebt die Flasche zum Gruß. 

Öffne ich die Augen, sind die Massen verschwunden. Dann bleibt da nur das Schwarz. Und doch viel mehr. Das Schwarz, eine kleine Hand und ein süßer Nachgeschmack auf meinen Lippen. Genug um mich zu erinnern, dass das reicht, um der Schwerkraft zu widerstehen. Um die Mittel der Gedanken albern zu finden. Um Platz zu schaffen für alles was ich nicht brauche. Platz für alles, was ich möchte. Zum Bespiel für neue Gedanken. Neue Gedanken und Gefühle.

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